Dienstag, 3. Januar 2017

Wessen Realität ist das eigentlich?

Meine letzten Worte liegen schon einige Zeit zurück. 
Ich wurde hämisch gefragt, ob ich zugenommen hätte und deshalb nicht mehr bloggen würde. Zum Trotze der Kritiker: Im Gegenteil!
Aber manchmal holt einen das Leben ein. Dann gilt es, sich selbst und die Realität in Einklang zu bringen.

Die ersten äußerlichen Veränderungen nach der OP führen erfahrungsgemäß erst einmal zur Zustimmung, Bestärkung, höchstens zur Bewunderung. Genauso aufregend wie das für einen selbst ist, scheint es auch für die Umwelt zu sein, zumindest wenn die Freunde, Kollegen, Familie, Bekannte eng mit einem verbunden sind.
Die charakterlichen Veränderungen jedoch sind unbequem. Unbequem für die, die im Zuge dessen, mit sich selbst konfrontiert sind. Veränderungen eines anderen machen Angst. Es ist leichter, die Veränderungen eines anderen zu kritisieren, als bei sich selbst zu schauen. 
Entwicklung bedeutet Verlust. Verlust kann schmerzhaft sein. Verlust kann aber auch neue Wege bereiten.

Manchmal trifft man Entscheidungen in seinem Leben. Entscheidungen, die für manche plötzlich kommen, mit denen manche gerechnet haben, andere überfordert sind. 
Alle bilden sich eine Meinung. Alle wissen, was gut für einen ist. Aber es sind immernoch meine Entscheidungen. Meine ganz allein. Ich treffe meine Entscheidungen, denn ich muss mit ihnen leben. Ich muss sie leben. Ich erwarte kein Verständnis für meine Entscheidungen. Aber ich erwarte Akeptanz dafür, dass ich meine Entscheidungen treffe.

Als ich beschlossen habe, mich operieren zu lassen, war das auch meine Entscheidung ganz allein.
Ich erinnere mich an die Warnungen.. "Pass bloß auf, dass du dich nicht auch charakterlich veränderst!" "Nicht abheben!" "Bleib bitte die Alte!" 
Mir war bewusst, dass es Veränderungen geben wird. In welcher Form kann man nicht erahnen. Jeder ist da unterschiedlich.

Ich reflektiere mich und mein Verhalten oft, zu oft. 
Die Rückmeldungen, die ich zurzeit bekomme, sind unterschiedlich - spannend! Ein großer Teil nimmt Veränderung wahr; ordnet diese positiv ein. Ein anderer Teil sieht es deutlich kritischer. Sie wollen die alte zurück. Ich sei nicht mehr wieder zu erkennen. Ich würde abheben.

Ich würde nicht behaupten, dass sich grundlegend mein Charakter verändert hat. Es haben sich Ansichten verändert. Dinge sind plötzlich wichtiger geworden, andere sind in den Hintergrund gerrückt. Ich sehe Situationen egoistischer. Bedürfnisorientierter. Viel zu lange habe ich auf das Leben verzichtet. Hab mich selbst eingeschränkt. Habe mich hinter Entscheidungen und Einstellungen versteckt, weil ich mir so manches Mal selbst im Weg stand. Ich war damit beschäftigt, dick durchs Leben zu kommen und möglichst geschmeidig das Leben zu erledigen.
Nein, ich bereue mein bisheriges Leben nicht. Ich habe es nicht ausgetauscht und ich lasse es auch nicht gänzlich hinter mir.

Ich brauche keine Bestätigung für das, was ich äußerlich geleistet habe. Ich brauche auch keine Bestätigung für mögliche positive innerliche Veränderungen. Ich verschließe auch nicht Ohren und Kopf vor Kritik und den Hinweis auf negative Veränderungen. Aber ich habe es auch satt, mich für mein momentanes Sein, für meine Entscheidungen, für mein Denken und für mein Handeln zu erklären und rechtfertigen zu müssen. Oder beweisen zu müssen, dass ich mir über die Tragweite mancher Entscheidungen bewusst bin.

Ich will mein Leben genießen. Ich möchte das machen, worauf ich Lust habe. So lange ich die wichtigsten Dinge in meinem Leben nicht aus den Augen verliere, erlaube ich mir das auch. 
Ich wirke vielleicht ein bisschen wirr.. übertreibe auch.. alles ist ein bisschen schnelllebiger zurzeit.. ich bin ein wenig verpeilt.. ich denke zu viel.. feiere viel.. bin viel unterwegs.. 
ABER ich habe einen festen guten Job, bin finanziell grundsätzlich abgesichert, habe eine schöne Wohnung, die ich ganz bald beziehen kann, ich habe unglaublich tolle Freunde, habe verlässliche Familie, ich fühle mich körperlich immer besser und bin belastbarer, kümmere mich um meine Gesundheit, gehe Verpflichtungen nach... Wer verbietet mir also, manche Dinge ein wenig lockerer zu sehen?
Ich bin frei. Ich habe mich befreit. Die OP hat wesentliches dazu beigetragen. Ich bin dankbar. Dankbar für diese Erfahrung.

Beim nächsten Mal werde ich darauf eingehen, wie es mit der Abnahme läuft, wie sich 5 Monate als Schlauchi anfühlen und wie so die Vorsätze für ein neues Jahr aussehen. Heute brannte mir erst einmal so manch anderes auf der Seele.

Sich entwickeln bedeutet neue Wege gehen. Neue Wege gehen, bedeutet Veränderung. Veränderung macht Angst. Angst macht ohnmächtig. Aber es bedeutet nicht altes streichen, vergessen und durch neues zu ersetzen. Es ist viel mehr die Herausforderung altes und neues zu Gegenwärtigem werden zu lassen und das, was einem wichtig ist, festzuhalten. Ich halte es fest. Und ich halte euch fest!!



 

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